Planspiel „Outface“ - Ein ungewöhnlicher Samstag


Als wir im Herbst 2016 das erste Mal von diesem humanitären Planspiel erfahren haben, war die Begeisterung groß, aber eindeutig noch mit Skepsis gepaart. Sofort hat es mehrere Freiwillige gegeben, die diese Aktion gerne leiten wollten. „Sieger“ dieses kleinen Wettstreits wurden Maxim Schulz und Stefan DiasAntony aus dem ersten Sozialwissenschaftszusatzkurs der Q2 und Helin Erdem zusammen mit Jessica-Celine Eziechinam, die dem zweiten Zusatzkurs angehören.

Gemeinsam begaben sich diese vier hochmotivierten Schüler in den Ferien vom 6. bis zum 8. Januar 2017 auf ein Wochenendseminar nach Münster, wo sie alles Wichtige erfahren haben. An dessen ersten Tag gelang es den Organisatoren erfolgreich, das Planspiel vorzustellen, sodass noch am selben Tag die einzelnen Gruppen, zu denen wir im Verlauf unseres Berichtes noch kommen werden, eingeteilt wurden. Auch wurden bereits die Info-Magazine verteilt. Samstags ging es direkt mit einer Spieldurchführung weiter, die in verschiedene Phasen aufgeteilt worden war. Um dem Ganzen einen krönenden Abschluss zu verpassen, wurde der Sonntag dazu verwendet, Rückmeldung zum Planspiel zu geben und etwas genauer auf die Rolle des Spielleiters einzugehen, weil unsere vier Freiwilligen diese Rolle in unserer Durchführung übernommen haben. Als wir Stefan und Maxim fragen, wie sie das Wochenende empfunden haben, hören wir nur Positives: Es sei sehr aufschlussreich gewesen, außerdem sei die Politik dadurch für sie besser nachvollziehbar geworden: „Jetzt wissen wir, wie schwierig die Verhandlungen wirklich sind.“

Kommen wir nun zum ereignisreichen zweiten Samstag des Januars 2017, an dem sich die beiden Zusatzkurse um neun Uhr morgens traffen, um dieses humanitäre Planspiel zu spielen. Der Uhrzeit und der Tatsache, dass der eigentlich heilige Wochenendtag Samstag in der Schule verbracht wurden, kann man entnehmen, wie hochmotiviert die Schüler sind. Herr Schwieder, Lehrer beider Zusatzkurse, klärte anfänglich einige Formalitäten und überließ dann den Gruppenleitern für den Rest des Tages vollkommen das Ruder, nachdem die beiden Kurse räumlich voneinander getrennt wurden. Die erste Station des Tages war der in einen Konferenzraum umgewandelte Computerraum, wo die Gruppenleiter nun die kommenden Stunden näher erläuterten:

Die beiden afrikanischen Länder Libaso und Ratikar befinden sich schon seit fünf Jahren im Krieg, weil das größentechnisch gesehen überlegene Ratikar keinen Zugang zum Meer hat und diesen nun von Libaso einfordert, das erst vor sieben Jahren die Unabhängigkeit von Ratikar erhalten hat. Zu dem Gebiet Libasos zählt aber nicht nur der Zugang zum Meer, der vor allem über den Hafen Debre erfolgt, sondern auch ein eventuell existierendes Ölfeld mit Kupfervorkommen. Wie es jedoch in Kriegen häufig der Fall ist, leidet sowohl in Libaso als auch in Ratikar die Bevölkerung enorm, da die beiden Länder nur noch Exportgüter wie Bananen und Kaffee anbauen, um damit neue Waffen finanzieren zu können. Die Bevölkerung leidet unter Nahrungs- und Trinkwasserknappheit, auch mangelt es an ausreichender medizinischer Versorgung und an Bildung. Wegen der vielen bereits Gestorbenen fehlt es auf beiden Seiten an ausreichenden Soldaten, weshalb nun auch noch Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren in den Krieg ziehen müssen. Wie hat Christiane Berthiaume noch einmal gesagt?:„Die Grenze zwischen Not und Tod ist sehr schmal, diese Grenze wird noch schmaler, wenn der Krieg fortgesetzt wird.“

Und genau an dieser Stelle kommen wir, die Schüler, ins Spiel. Aufgeteilt in sechs Gruppen - die Delegation Ratikars, die Delegation Libasos, der Delegation der IKRK, der Delegation Deutschlands, den Sonderbeauftragten für Kinder in bewaffneten Konflikten und der Presse - versuchen wir im Verlauf des Tages, den Konflikt zu lösen, doch dabei kommen wir immer wieder an unsere Grenzen, die wir aber lernen zu überwinden. Nachdem wir uns mit Hilfe des Storybooks in das Spiel eingearbeitet haben, erarbeiten wir in unseren Gruppen eine Strategie, mit der wir möglichst schnell und gut den Konflikt beheben bzw. die Lage der Menschen verbessern wollen – jede Gruppe in ihrer eigenen „Kommandozentrale“. Den ersten Höhepunkt bildet die Pressekonferenz, bei der alle Parteien ihren Standpunkt erläutern und bereits erste Diskussionen beginnen, die die Presse aber nur mit Not „abwürgen“ kann. Ein Glück, dass gleich darauf die Interaktion zwischen den Spielparteien beginnt, allerdings mit einigen Einschränkungen, z.B. der Auflage, dass mit anderen Parteien nur über sogenannte Mitteilungsbögen kommuniziert werden darf und man nur mit zwei anderen Parteien ein Gespräch führen kann. Diese interessanteste Phase wird noch durch die Nachrichten der Presse verkompliziert, wobei man jedoch nicht genau weiß, ob sie nun die Wahrheit schreibt oder nicht. „Gerade die Eilmeldungen sind problematisch“, sagt ein Schüler. Marvin K. erwidert: „Einfach nur spannend.“, ein anderer: „Super, das bockt voll!“, der nächste sagt: „Legendär und aufschlussreich“. Nach vielen angeregten Diskussionen endet das Spiel mit einer Abschlusskonferenz, in der sich auf einmal neue Sachverhalte herausstellen, wie etwa, dass die Delegation Ratikars gar nichts mit den Überfällen auf die Arbeiter des IKRks zu tun hat, weil sich die Armee verselbstständigt hat. Nachdem mehrere Verträge zur Friedensschließung unterzeichnet werden, steht für alle fest, dass es zukünftig wichtig ist, den Hafen Debre, der zuvor zerstört worden ist, jetzt aber von beiden Ländern verwendet wird und zum neutralen Boden erklärt worden ist, wieder aufzubauen und die Lage der Menschen zu verbessern, sodass sie wieder ein angstfreies Leben Leben können. Auch unterzeichnen alle drei Länder die VN-Kinderkonvention, die es fortan verbietet Kinder als Soldaten im Krieg einzusetzen.

In einem sind sich die Schüler beider Kurse einig: Man kann sich sehr gut in die Rollen hineinversetzen und auch die Entscheidungen der Politiker in unserer „echten Welt“ besser verstehen und nachvollziehen. Des Weiteren finden sie es interessant, „mal in einem Konflikt zu stehen“ und „Kommunikation und Interaktion bei Diskussionen während Verhandlungen zwischenzwei verfeindeten Parteien“ zu erleben und dabei „scheinbar unübersichtliche Grenzen zu überschreiten.“ Daraus lässt sich schließen, dass die Schüler mit diesem Planspiel - besser als es im „normalen“ Unterricht gelungen wäre - gelernt haben, die Komplexität politischer und militärischer Konflikte zu erkennen, ebenso wie ein angemessenes diplomatisches und strategisches Verhalten zu entwickeln, wobei aber auf politische Rationalität und „schmutzige Details“ geachtet werden muss. Dieser authentische Fall zwischen Äthiopien und Eritrea ist deshalb - zurückschauend gesagt - ein sehr gut gewähltes Beispiel.
Wie sagte noch einmal Herr Schwieder so passend: „Ich liebe dieses Spiel!“

(Marlene Katter und Chiara Flaskamp) 
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